politisch-religiöser Zankapfel seit Jahrtausenden

Jerusalem – Sehnsuchtsort von Millionen von Menschen, heilige Stätte dreier Weltreligionen und politisch-religiöser Zankapfel seit Jahrtausenden. Wohl keine andere Stadt auf der Welt birgt ein solches Konfliktpotenzial. Aus der ganzen Welt pilgern die Menschen nach Jerusalem, während die lokalen Konflikte immer wieder in Israel und Palästina aufflammen. Der Franziskanerpater und Professor für altes Hebräisch und semitische Sprachen Gregor Geiger lebt seit 1999 in Jerusalem und kennt die Situation vor Ort genau. Gegenwärtig reist er auf Einladung des katholischen Hilfswerks «Kirche in Not (ACI)», das vielfältige Projekte im Heiligen Land unterstützt, durch die Schweiz. Am 20.09.2023 besuchte er den Pastoralraum Bischofsberg, um gemeinsam in der Pelagiuskirche die Messe zu feiern und die Menschen in der Schweiz über die Lage im Heiligen Land zu informieren.

Die Gefahr des Extremismus
«Religion spielt in der Gesellschaft (in Israel wie in Palästina) eine viel stärkere Rolle als in den west- oder mitteleuropäischen Ländern. Die Menschen definieren ihre soziale und ethnische Identität selbstverständlich über ihre religiöse Zugehörigkeit.», erzählt Pater Gregor der Zuhörerschaft, die sich in der St. Pelagiuskirche in der Altstadt von Bischofszell eingefunden hat. Leider sei im Heiligen Land nicht von einem religiösen Miteinander, sondern lediglich von einem religiösen Nebeneinander zu sprechen und in diesem Nebeneinander schwelen die Konflikte. Im Mai 2021 war deutlich zu sehen, dass diese Konflikte jederzeit wieder gewaltsam auflodern können. In mehreren Städten herrschten damals Bürgerkriegsähnliche Zustände. Religiöse Extremisten wie die islamistische Hamas und nationalreligiöse jüdische Gruppen zeigen dabei kein Interesse an einer friedlichen und gerechten Lösung des Territorialkonflikts zwischen Israelis und Palästinensern.

Zwischen den Fronten
Die kleine christliche Gemeinde steht in diesem Konflikt zwischen den Fronten. Sie setzen sich, wo immer es geht, für den Frieden ein, unterhalten Schulen, Krankenhäuser, pflegen inmitten der Gewalt die Pilgerstätten und versuchen, in interreligiösen Projekten die Menschen wieder zusammenzubringen. Doch oftmals gestaltet sich dies schwierig. Das Misstrauen gegenüber den anderen Religionen sitzt tief. Dennoch wirken die Franziskaner seit über 800 Jahren im Heiligen Land, durch alle Höhen und Tiefen der Geschichte hindurch. Der langwierige Konflikt zwischen Juden und Muslimen hat im Land viele offene Wunden hinterlassen. Diese Wunden zu heilen, wird die Herausforderung der kommenden Jahre sein, sagt Pater Gregor. Ein erster Schritt hierbei könnte das Projekt “Hass heilen: Spirituelle Seelsorge in Konfliktsituationen” sein, welches die Franziskaner gegenwärtig anbieten. Rund 100 Christen, Juden und Muslime aus der Region nehmen an diesem Kurs teil, um zu Experten für Konfliktlösung ausgebildet zu werden, um zum Dialog anzuregen und die Botschaft der Nächstenliebe und des Friedens in die Gesellschaft hineinzutragen.

Silvan Beer